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Untersuchungsmöglichkeiten zur Wirksamkeit der Gestalttherapie

In einem Artikel für die Mailingliste "Gstalt-"J vom 25.11.00 hat sich Sylvia Crocker Gedanken zum Thema gemacht, die ich an dieser Stelle zusammenfassen und kommentieren möchte. Ansetzend an dem Konzept der Kontaktstörungen und dem Therapieziel der Förderung funktionaler Kontaktprozesse lautet die Fragestellung: In welchem Maß können gestalttherapeutische Interventionen Klienten unterstützen, Kontaktprozesse funktionaler und damit befriedigender zu gestalten?

Um Kontaktprozesse operationalisieren zu können, schlägt Crocker vor, Kontaktepisoden in Anlehnung an PHG * in drei Phasen zu unterteilen:
" Eine Person gewinnt anfangs (1) Interesse an etwas, was sie in irgendeiner Weise erregt und als etwas empfunden wird, mit dem sie praktisch umgehen muß. Dann (2) löst die Person das Feld in ihre Möglichkeiten auf (hat alternative Lösungsideen), gewichtet sie, identifiziert sich dann mit einer Möglichkeit (wählt eine aus und verwirft den Rest). Zum Schluß (3) handelt die Person ihrer Entscheidung gemäß (wonach die Erregung verschwindet, d.h. die Figur, die ihr Interesse geweckt hat löst sich auf).

Eine Reihe von Faktoren beeinflußt diesen Prozess: das Gefüge von Glaubenssätzen und Überzeugungen der Person über die Welt, sich selbst und andere Leute; habituelle Reaktionsmuster; verschiedene Fähigkeiten und erlernte Verhaltensweisen plus der persönlich charakteristische Stil von Kontakt und Rückzug."

Probleme im Kontakt treten auf, wenn normale Kontaktprozesse in gewissem Maße blockiert sind. Zu untersuchen wäre die Wirksamkeit gestalttherapeutischer Interventionen im Aufheben von Blockierungen in der jeweiligen Phase des Kontaktprozesses.

(1) Blockierung von Interesse und Erregung:

"Einige unserer Klienten haben Schwierigkeiten, Aspekte destruktiver Situationen in ihrem Leben zu beachten, die eine Auseindersetzung erfordern. Die Person nimmt diese Situation nicht als problematisch wahr und fährt fort, sich in einer Weise an diese anzupassen, die verschiedene psychische und soziale Probleme schafft. Zum Beispiel mag eine Frau depressiv sein, weiß aber nicht, wieso. Während ein Gestalttherapeut mit ihr arbeitet, mag offensichtlich werden, daß die Frau in ihrer Ehe unterdrückt wird, ihre Gefühle und Bedürfnisse haben keinen Einfluß, sie fühlt sich nur benutzt. Aus welchen Gründen auch immer fokussiert sie diese Probleme nicht sondern paßt sich derart an, daß sie ihre Situation überlebt.

In der konkreten Arbeit würde man im Kontext einer akzeptierenden therapeutischen Beziehung eine Kombination von Methoden anwenden, um ihre Bereitschaft und Fähigkeit, sich bewußter zu werden, was in ihrem Leben abläuft und wie es ihr damit geht, zu verbessern.

Um dies zu untersuchen bräuchte es Instrumente, um herauszufinden, inwieweit die Klientin manche Interventionen als hilfreich, andere als nicht hilfreich beurteilt. Unsere Maßnahmen würden verdeutlichen, in welchem Maß ihr Erleben lebendiger und bewußter und sie klarer über sich selbst würde, was sie fühlt und was ihre Reaktionsweisen in ihrer gegenwärtigen Situation sind."

(2) Entscheiden und Auswählen:

"Viele Menschen haben keine Schwierigkeiten, zu erkennen, welche Probleme in ihrer Situation bestehen, aber sie wissen nicht, wie sie Lösungsmöglichkeiten suchen und einschätzen sollen und sich dann für ein gezieltes Handeln zu entscheiden. Hier wäre eine therapeutische Unterstützung nötig, um sich über die Lösungsmöglichkeiten bewußter zu werden und welche die Klientin ansprechen. Der Therapeut hilft beim Einschätzen und Abwägen von Lösungsmöglichkeiten, was die Person möchte und was nicht, welche Konsequenzen damit verbunden wären, sozusagen eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen."

(3) Handeln aufgrund der Entscheidung/Wahl:

Hier geht es um ein "Handeln im Umgang mit der problematischen Situation in einer Weise, die Figur von Interesse und Erregung wieder auflösen. Es ist eine verbreitete Schwierigkeit und Blockierung, vom Denken und Entscheiden zum Auswählen und Handeln zu kommen.

Therapeutisch würde man die gewünschte Lösungsmöglichkeit in einer Weise explorieren, die den Mut zum Handeln beim Klienten stärkt, etwas von der Fremdheit neuen und vielleicht riskanteren Verhaltens nimmt, das Gefühl von Kompetenz, in dieser Weise zu handeln steigert.

Um die Wirksamkeit der Gestalttherapie dabei zu untersuchen, Klienten in ihren Entscheidungs- und Auswählprozessen zu unterstützen und Blockierungen aufzuheben, bräuchte es Instrumente, die entsprechende Methoden sowie die Präsenz des Therapeuten bewerten. Zum Beispiel müßten wir einschätzen, in welchem Ausmaß der "leere Stuhl" hilfreich ist, interne Konflikte in Bezug auf alternative Lösungsmöglichkeiten zu reduzieren oder neue Verhaltensweisen zu praktizieren. Desgleichen würden wir verschiedenartige Experimente beurteilen, die der Person halfen, sich klarer darüber zu werden, was sie wollte oder nicht wollte, befürchtete oder nicht befürchtete, welche Konsequenzen sie wollte oder nicht wollte etc.."

Ich finde, Crocker´s Überlegungen stellen einen interessanter Denkansatz dar, der forschungsleitend sein könnte, um die Komplexität gestalttherapeutischer Prozesse für Forschungszwecke zu reduzieren und so die Evaluation von gestalttherapeutischen Strategien und Interventionen in unterteilten Kontaktprozeß-Phasen möglich zu machen. Interessanterweise entspricht das gestalttherapeutische Kontaktprozeß- Modell dem Handlungsphasenmodell von Heckhausen (zit. nach Grawe 1998, Psychologische Therapie), aus dem der Psychotherapieforscher Klaus Grawe die Unterscheidung von mehr klärungsorientierten Vorgehensweisen von mehr am Herausbilden von Intentionen und deren Veränderung bzw. Realisierung orientierten Vorgehensweisen ableitet - wir haben es hier also mit einem hochaktuellen Therapiemodell zu tun.

Ich möchte nun diesen Denkansatz im Forum zur Diskussion stellen und hoffe auf rege Beteiligung (ich bin halt ein unverbesserlicher Optimist!).

* Perls, Hefferline, Goodman: Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung. Stuttgart 1979.

©2000 Achim Votsmeier-Röhr

 

 

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 

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